Max und Lila sind in Berlin zusammen – an einem dieser Abende, wo sie lieber ins Kino oder zur Party gegangen wären. Außerdem ist Winter, ein eisiger Wind weht. Lila hat ihr 3. Semester an einer Berliner Uni fast geschafft. Sie hat die meisten Vorlesungen an ihrem Rechner verfolgt. Die Vorlesung über gewöhnliche Differenzialgleichungen hat ihr von Anfang an Spaß gemacht. Sie hatte eine neue junge Dozentin: Anna Krotofil. Die hat die Vorlesung mit ein paar motivierenden Beispielen gestartet und das Interessanteste war ein System von DGLn über die Ausbreitung ansteckender Krankheiten, das Kermack-McKendrick-Modell. Davon erzählt sie heute Abend Max.
Lila Das Modell geht so: Man überlegt, wie sich die Anzahl von Infizierten , von Susceptibles – wie heißt das Deutsch? …
Max Susceptibles - das sind die Anfälligen, in den Medien heißen die heute die Gefährdeten.
Lila Also gut, die Gefährdeten , das sind die, die an der ansteckenden Krankheit erkranken können und die Removed – wie sagt ihr dazu?
Max Meinst du die Gestorbenen?
Lila Ja! Also die Gestorbenen . Du überlegst, wie sich die Anzahl von und ändert. Wenn die Gefährdeten erkranken, werden sie Infizierte, je mehr es von beiden gibt, umso stärker verringert sich die Anzahl , das heißt
Den Proportionalitätsfaktor haben die Erfinder benannt, er steht für die Ansteckungsrate, also
Und genauso ist es mit den Infizierten, dort ist der Zuwachs und außerdem sterben einige Infizierte mit der Sterberate
Mit derselben Rate nimmt die Anzahl von zu:
Das Kermack-McKendrik-Modell über die Ausbreitung einer ansteckenden Krankheit
… ist die Anzahl der Anfälligen (Susceptibles), also solche, die die Krankheit noch nicht hatten und nicht immun sind
… ist die Anzahl der Infizierten
… ist die Anzahl der übrigen (Removed), also solche, die tot, isoliert oder immun sind
… Ansteck- bzw. Sterberate
Max Wow!
Lila Ja, so hat es Anna Krotofil dargestellt.
Gleichgewichtszustände
Es sind nichtlineare DGLn und eigentlich kaum zu lösen, aber sie sind eins der ersten Modelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten – von 1927! Obwohl ich nicht ganz das Mathetalent bin, konnte die Herleitung von Anna Krotofil verstehen.
Dann haben wir die DGLn noch mal angeschaut und herausgefunden, dass
eine Lösung ist.
Max Ja, toll! Das ist die Lösung, die alle anstreben! Keine Epidemie!
Lila Ja, richtig. Außerdem sind
weitere zeitlich konstante Lösungen.
Max Okay, wenn es keine Infizierten gibt, ändert sich nichts.
Lila Richtig. Sinnvolle Anfangswerte sind
Max Okay, verstehe.
Qualitative Eigenschaften von Lösungen nichtlinearer DGLn
Lila Außerdem haben wir überlegt: Wenn es eine Lösung dieses Anfangswertproblems gäbe und wären immer nicht negativ, genauer:
dann wäre für diese Lösungen der DGLn
das heißt die Anzahl der Gefährdeten nimmt immerzu ab,
die Anzahl der Gestorbenen nimmt dauernd zu. Aber bei können wir Wachstum oder auch ein Abnahme haben, je nachdem ob:
positiv, negativ oder Null ist. Wenn
ist, dann bleibt nur das Vorzeichen von
zu untersuchen.
Szenario 1
Krotofil hat gesagt, eine Epidemie erkennt man daran, dass die Anzahl der Infizierten bis zu einer Zeit anwächst und danach wieder abfällt. Wenn ich also schon bei den Anfangsbedingungen
wähle, dann wächst , ich weiß nur nicht, ob die Anzahl auch mal wieder fällt.
Szenario 2
Wenn ich
wähle, dann ist
Weil aber immer fallend ist, wird sofort
und es kommt nicht zu einer Epidemie.
Szenario 3
Als letztes bleibt nur,
zu wählen, dann fällt sofort und es gibt ebenfalls keine Epidemie.
Max Na gut! Aber ihr wisst ja noch gar nicht, ob es überhaupt zeitlich veränderliche Lösungen gibt!
Lilas numerische Lösung
Lila Stimmt! Dazu kommen wir erst später. Aber ich habe einfach mein Notebook herausgenommen und wollte das überprüfen. Ich hatte ja schon einmal mit Jenny numerisch die Gleichungen für das Pendel mit der Methode von Runge-Kutta implementiert …
Max Was hast Du?
Lila …. Ich habe das alte Programm ein bisschen angepasst und dann habe ich mir Berlin, Kalkutta oder eine Insel vorgestellt, habe mir Ansteck- und Todesraten überlegt und habe mit nur einem Infizierten ausprobiert, ob es mit diesem Modell zu einer Epidemie kommen kann!
Max Und was hast Du herausgefunden?
Lila Ich bin die 3 Szenarien mit nur einem Infizierten
durchgegangen und haben die Kurven berechnet, hier schau mal:
Max Bei nur einem Infizierten sterben 800 Leute?
Lila Ja! Und 200 überleben. Außerdem hat meine numerische Lösung das Epidemie-Kriterium
bestätigt. Als
wurde, war gerade der Höhepunkt der Infektionen erreicht, bei .
Max Aha! Lila, du bist ja unglaublich!
Lila Beim 2. Szenario fiel die Zahl der Gefährdeten sehr langsam, und die Zahl der Infizierten stieg nicht an.
Max Sehr gut!
Lila Und beim 3. Szenario war es ebenso.
Max Aha! Dann hast du herausgefunden, wenn die Anfangszahl der Gefährdeten groß genug ist:
dann kommt es zu einer Epidemie.
Lila Ja, das ist die einzige Bedingung.
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Übungsaufgabe
Überprüfe, dass die Summe Aller konstant bleibt: